Das Werden der Pfarrei Schloßau vor 150 Jahren

Am 22. Mai jährt sich zum 150. Mal die Ernennung der Kirchengemeinde Schloßau zur selbständigen Pfarrei Schloßau. Es war dem unermüdlichen Willen, den Entbehrungen und freiwilligen Leistungen der Schloßauer Bürger über drei Generationen hinweg zu verdanken, dass dieses Vorhaben überhaupt möglich war.

Im Zuge der Zusammenlegung von Pfarrgemeinden zu großen Seelsorgeeinheiten und angesichts weiter sinkender Kirchenbesucherzahlen ist ein solcher Schritt heute hingegen kaum noch vorstellbar.

Ausgangspunkt war damals das kleine beschauliche Hollerbach bei Buchen als zentrale Anlaufstelle der Gottesdienstbesucher unserer Region. Die Katholiken aus 27 Filialorten marschierten ab dem Jahr 1277 an jedem Sonn- und Feiertag zu den Gottesdiensten in der Hollerbacher Kirche und diese war jedes Mal übervoll. So ging das bis zum Jahr 1426. In diesem Jahr spaltete sich Mudau mit 14 Filialen von der Hollerbacher Mutterkirche ab und wurde zur eigenen Pfarrei Mudau. Fortan gingen die Gläubigen der Mudauer Filialorte mehrere Jahrhunderte lang zu Gottesdiensten in ihre Stammkirche nach Mudau (Bild 7). Im 18. Jhdt. stiegen allmählich die Bevölkerungszahlen an. In Mudau herrschte bald Platznot. Viele Filialorte begannen nun mit den Planungen eigener Kirchen oder Kapellen. Auch die Schloßauer bauten in den Jahren 1731/1732 am Ortsrand Richtung Mudau eine kleine Kapelle, die dem heiligen Wolfgang geweiht wurde (Bild 1). Sie war nur 33 Schuh lang und 16 Schuh breit. Ab nun hielt der Mudauer Kaplan hier ab und an Gottesdienst. Als Fortbewegungsmittel für die auswärtigen Gottesdienste hatte er ein Pferd. Hierfür mussten die Familien der Dörfer, in denen er Gottesdienste abhielt, den Kaplan alljährlich bezahlen und Hafer für das Pferd (den Reithafer) abgeben. Diese Abgaben führte immer wieder zu Streit, da die Gläubigen der Filialkirchen die Häufigkeit der Messen und das „Verkehrsmittel“ des Pfarrers genau betrachteten, denn nur allzu häufig kam der Pfarrer zu Fuß und man verweigerte ihm im Nachgang den Reithafer. Der Unmut über wenige Gottesdienste und trotzdem hohe Kosten erweckte in den Ortschaften den Wunsch nach einem eigenen Seelsorger. Die Umstände der vermehrt errichteten Kirchen und Kapellen gefiel den Mudauern gar nicht, denn mit den weniger werdenden Kirchenbesuchern verringerten sich auch die Pfründe der Mudauer Kirche sowie die Umsätze in den Schankwirtschaften nach den Gottesdienstbesuchen (Bild 6).

Auch das beschauliche Schloßau wuchs weiter, so dass die vorhandene Kapelle, selbst bei den wenigen Gottesdiensten, schon bald zu klein wurde. Nach der französischen Revolution um 1790 versuchte man in Schloßau dauerhaft einen Emigrantenpriester für regelmäßige Gottesdienste zu gewinnen. Dies scheiterte jedoch. Um 1806 wurde von zwei Schloßauer Bürgern die Eingabe gemacht, einen regelmäßigen Sonn- und Feiertagsgottesdienst einzuführen. Dieser Wunsch wurde u.a. abgelehnt, weil die Kapelle auf lange Sicht zu klein sei für regelmäßige Gottesdienste, zumal damit kalkuliert wurde, dass der „Zulauf“ weiter ansteige. Da ein permanenter Kaplan für die Schloßauer zudem alljährlich mit 200 Gulden aus dem Gemeinde-Etat zu Buche geschlagen hätte, verfolgten die beiden Privatleute diese Idee erst einmal nicht weiter.

Um 1824 zeigte der Schloßauer Gemeinderat gegenüber dem badischen großherzoglichen Staatsministerium auf, dass sowohl der Mudauer Kaplan, als auch die Kirche daselbst aufgrund der hohen Bevölkerungszahl inzwischen an ihre Grenze gelangt seien und ein zweiter Kaplan sowie eine größere Kirche für Schloßau nun unumgänglich seien. Diesem Gedanken war man jetzt nicht mehr abgeneigt und so folgten ab nun Planungen zur Finanzierung und Errichtung einer größeren Kirche für Schloßau unter Einbezug der katholischen Gläubigen aus Schöllenbach, Ernsttal, Galmbach und Mörschenhardt. Auch andere Dörfer wuchsen und so plante zur gleichen Zeit auch Oberscheidental die Abspaltung von der Mudauer Kirche, ebenfalls unter Einbeziehung anderer Dörfer. Zunächst verlief das Vorhaben für Schloßau noch im Sand, doch nahmen die Schloßauer immer wieder Anläufe. 1861 erfolgte eine weitere Eingabe des Schloßauer Gemeinderates beim Bezirksamt Buchen, dass man sogar eine Kirche mit einer Kapazität für 1000 Gläubige plane. Es wurde ein Bauplan vorgelegt, der zunächst noch nicht genehmigt wurde. Daraufhin wurde vom Buchener Bezirksamt in Wertheim ein geänderter Plan in Auftrag gegeben. Die Schloßauer drängten daraufhin auf eine baldige Genehmigung, da man bereits über Winter mit dem Holzeinschlag und dem Steine-Abbau in den Schloßauer Steinbrüchen beginnen wolle. Finanzieren wollte man den Bau mit einem Kredit von 3000 Gulden sowie durch Spenden und einem gemeinde-eigenem Geländeverkauf im Schöllenbacher Tal. Die Schloßauer standen hinter dem Vorhaben und ihnen war schon zu Beginn der Finanzplanungen bewusst, dass der Kirchenneubau nur durch den Zusammenhalt und die Unterstützung aller Schloßauer durchgeführt werden könne. Da aus Freiburg in Aussicht gestellt wurde, dass es nach dem Kirchenneubau tatsächlich auch einen regelmäßigen Sonn- und Feiertagsgottesdienst in Schloßau geben wird, machte man sich schließlich an die Umsetzung des Kirchenbauprojektes. Der in Aussicht gestellte Seelsorger solle dann aus einem Fonds bezahlt werden.

Am 24. Februar 1861 kamen schließlich die neuen Pläne aus Wertheim und bereits im März machte man sich an die detaillierten Planungen. Ein Jahr später, am 10. März 1862, wurde in einer öffentlichen Gemeinderatsitzung der gesamten Bevölkerung das Projekt vorgestellt und die Bedenken und Fragen der Versammlung - erschienen waren nahezu alle stimmberechtigten Schloßauer Bürger - gehört. Alle stimmten abschließend mit „Ja“ und so wurden im Nachgang sämtliche Hauptarbeiten für 8.400 Gulden vom Schloßauer Gemeinderat an Maurermeister Frauenschuh aus Oberdielbach abgegeben, ein kluger Schachzug, denn so hatte man nur einen Ansprechpartner, der die Planungen und Wünsche umzusetzen hatte. Daraufhin wurde vom Bezirksamt Buchen am 18. Mai 1862 die Genehmigung erteilt und es konnte endlich losgehen.

Am 18. Juni 1864 konnte schließlich die neue Kirche „mit dem größten Freudenfeste, das die Gemeinde Schloßau bis dato jemals abgehalten hatte,“ eingeweiht werden. Zum Abschluss sämtlicher Arbeiten hatte die katholische Kirche mit einer Kollekte 2.700 Gulden beigesteuert, wobei die Gemeinde Schloßau zusätzlich 13.000 Gulden für das Projekt aufgewendet hatte. Was noch fehlte, war ein Kirchturm, was sich die nächsten 33 Jahre auch nicht ändern sollte. Die alte Kapelle diente in dieser Zeit als Vorhalle der neu erbauten Kirche (Bild 2). Ab 1864 lag die oberste Priorität nämlich auf der Errichtung einer eigenen Pfarrei. Hierzu war u.a. noch ein kircheneigener Friedhof erforderlich, der bereits im Jahr 1866 eröffnet wurde. Zudem wurde für 2.799 Gulden auf Gemeindekosten noch ein zweistöckiges, strohgedecktes Pfarrhaus gebaut, welches viele Jahre auch als Sakristei genutzt wurde. Der Pfarrer zog nämlich bei Wind und Wetter direkt hinter dem Hochaltar in die Kirche ein, da damals kein Anbau einer Sakristei vorhanden war. Mit dem Pfarrhausbau war das ganze Geld verbraucht, aber nun sah man sich in der Lage, den Antrag für eine eigene Pfarrei Schloßau zu stellen. Vor 150 Jahren, am 22. Mai 1870, war es dann soweit, die Erektionsurkunde zur Gründung der Pfarrei Schloßau unter Einbeziehung einiger angrenzenden Ortschaften konnte von der Kanzel verlesen werden. Die Kirche St. Wolfgang wurde zur Pfarrkirche erhoben. Damit war die Pfarrei Schloßau nun losgelöst von der Pfarrei Mudau. In den ersten Jahren ordnete sich die Pfarrei und tilgte fleißig Schulden, bis Mitte der 1890er Jahre die Planungen für den Turmbau begannen. Im Jahr 1871 wurde der Gulden von der Mark abgelöst. Die Kosten für den Turmbau wurden zunächst mit 12.000 Mark veranschlagt. Der Grundstein des Turms zeigt heute das Jahr 1898 und nach Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 1899 waren 14.000 Mark verbraucht. Es konnte noch ein Geläut für 3.200 Mark und im gleichen Jahr eine Kirchturmuhr für 1.086 Mark, finanziert von der politischen Gemeinde, angeschafft werden, so dass um die Jahrhundertwende 1900 die Pfarrkirche St. Wolfgang als Herz der Pfarrgemeinde Schloßau komplett fertig war (Bild 3). Zieht man an dieser Stelle ein Fazit, dann waren es über mehr als 70 Jahre hinweg der unermüdliche Wille und die freiwilligen Leistungen und Entbehrungen der Schloßauer Bürger, die das Werden einer Pfarrgemeinde Schloßau überhaupt erst ermöglichten. Somit gilt den Christen der damaligen Zeit, die es den Schloßauer Bürgern vielerorts gleichtaten und dank ihrer Willenskraft wunderschöne Gotteshäuser errichteten, unser aller Respekt!

Aufgrund der aktuellen Corona-Situation, kann das 150-jährige Jubiläum leider nur in einem kleineren Rahmen begangen werden.

Text und Bilder, bzw. Repros: Thomas Müller, Mai 2020

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Bild 1 Ehemalige Kapelle von Schloßau, erbaut 1730/1731
Bild 2 33 Jahre lang prägte die alte Kapelle als Anbau an der neuen Kirche das Schloßauer Ortsbild. 1897 wurde sie durch einen Turm ersetzt.
Bild 3 Kirche St. Wolfgang um 1905
Bild 4 Die Kirche thront über dem Dorf am Ortsausgang in Richtung Mudau. Zusammen mit der alten Schule, dem Rathaus, dem Pfarrhaus und einer Gaststätte war dies einst der Dorfmittelpunkt.
Bild 5

Vom Schloßauer Wasserturm bietet sich heute ein herrlicher Blick auf den Bereich um die Kirche.

Bild 6 Mudau Hauptstraße um 1910
Bild 7 Ansicht von Mudau