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In den Spinnstuben wurde Brauchtum übermittelt

Wenn die Tage kürzer und die Nächte deutlich länger werden, neigt sich das Jahr bekanntlich dem Ende zu. Zeit zur Einkehr und Besinnung. Gerade in diesen aktuell schwierigen Zeiten, wo wir mehr denn je an das häusliche Umfeld gebunden sind, wird in diesem Jahr auch Weihnachten anders sein als die vergangenen Jahre, vielleicht aber ein wenig so wie früher, ein wenig so wie „damals“. In einer losen Serie soll in den nächsten Wochen an die Bräuche zur Weihnachtszeit erinnert werden, an deren Entstehung und wie sie früher bei uns gelebt wurden oder mancherorts vielleicht sogar heute noch aufrecht erhalten werden. Wir erinnern an vergangene Zeiten als bereits in der Weihnachtszeit häufig schon Schnee lag und rot gefrorene Kindernasen es kaum noch abwarten konnten, dass es endlich Weihnachten wird. Wir schauen zurück auf Geschichten und Wissenswertes, auf Bräuche und Traditionen, auf „damals“, auf die Wochen im Advent.

Bei der Schloßauer Familie Bernhard, wurden auch in den 1960er Jahren in den Wintermonaten noch Holzrechen hergestellt oder repariert. Der Blick aus der warmen Stube, hinaus auf die schneeverschneite Flur sorgte schon beim ersten Schnee für weihnachtliche Stimmung. Repro Thomas Müller

Advent bedeutet Ankunft, die Ankunft des Lichtes der Welt, Jesus Christus, so steht es im Johannesevangelium. Mit dem ersten Adventssonntag beginnt für die Christen auch das neue Kirchenjahr. Advent heißt also auch Neubeginn, um dem Licht der Welt den Weg zu bereiten und das auf vielfältige Art und Weise. Eine Vielfalt die einst gerade in den Wochen vor dem Fest mit unterschiedlichen Vorbereitungen, Mühen und Arbeiten verbunden war, welche sich zum Teil noch bis heute erhalten haben.

 Wenn im Oktober die letzte Ernte unter Dach kam und das Vieh von Grünfutter auf Heu umgestellt wurde, dann verbrachten die Bauernfamilien die meiste Zeit in der warmen Küche, häufig dem einzigen Raum im Haus der geheizt war. Über dem Holzofen trocknete das aufgefädelte Dörrobst. Walnüsse lagen in „Horden“ und trockneten auf den Schränken. Die Bauern reparierten Alltagsgeräte für das Feld, machten Anfeuerholz, fertigten Reisigbesen oder reparierten Schuhe. Die Frauen holten das Spinnrad hervor um Nähgarn oder Flachs zu spinnen. Es wurde gehäkelt, Socken gestrickt, Leinen gewebt, Kartoffelsäcke und Kleider geflickt aber auch Geschichten erzählt oder Sagen überliefert. Bis ins 20 Jh. hinein gab es in den Dörfern sogar noch Spinnstuben, wo die Frauen gemeinsam Garn spannen. Die Kinder lauschten derweil den Geschichten und schauten zu, um es den Eltern später einmal gleich zu tun. Wurden die Kinder dann zu Bett gebracht, holten die Eltern das Spielzeug der Kinder hervor, um es herzurichten oder umzubauen, damit es später unter dem Weihnachtsbaum wieder seinen Platz findet. Das Schaukelpferd wurde ausgebessert, die Holzeisenbahn erhielt „TÜV“ und der Puppe wurde ein neues Kleid geschneidert. Auch so mancher alte Holzschlitten wurde entrostet und ausgebessert, um ihn für den nahenden Winter einsatzbereit zu wissen. Schnee war damals zur Weihnachtszeit nämlich, im Gegensatz zu heute, keine Seltenheit.
Den Kindern erklärte man, dass das Spielzeug vom Christkind abgeholt wurde und sie nun ganz brav sein müssten, damit es an Heilig Abend vom Christkind wieder gebracht wird. Der Brauch des Schenkens an Heilig Abend ist übrigens noch nicht so alt, denn eigentlich galt der erste Januar als der Geschenketag, denn zum Jahresbeginn wurden Knechte und Mägde ausbezahlt und erhielten von den Bauern noch ein Geschenk. Häufig wurden Weihnachtsplätzchen oder Obst geschenkt. Das echte Beschenken an Heilig Abend kam allmählich erst im 20. Jh. auf. Die Geburt Christi wurde nämlich als größtes Geschenk für die Menschheit angesehen. Das Beschenken wurde von den Heiligen drei Königen abgeleitet die Jesus Christus mit Gold, Weihrauch und Myrrhe beschenkten, zur Überbringung der Gaben allerdings 14 Tage Anreise brauchten. Später wurde dann der 24. Dezember zum Tag des Beschenkens. Als größtes Geschenk zu diesem Datum wurde jedoch die alljährliche Feier der Geburt Christi angesehen, die Ankunft des Lichtes der Welt.

 

In den Odenwälder Spinnstuben wurde althergebrachtes überliefert. Sagen und Geschichten wurden an die jüngeren Generationen weitergegeben und so manches Pärchen fand hier zusammen, wie vielleicht auch bei der Familie Schüßler in Mörschenhardt, aufgenommen vom Max Walter im Winter 1918/1919. Repro Thomas Müller 

 

Thomas Müller, Schloßau im Dezember 2020