In der Weihnachtsbäckerei

Wenn Ende November die Arbeit im Garten und der Landwirtschaft nahezu vollständig ruhte, begann für die Hausfrauen die Zeit des Plätzchenbackens. Häufig war es zu dieser Jahreszeit schon recht kalt oder es gab sogar schon den ersten Schnee. Für die Kinder gab es dann nichts Schöneres als draußen zu spielen und danach Plätzchen zu probieren oder vielleicht sogar beim Backen zu helfen. Die älteste Plätzchenart sind übrigens die Lebkuchen. Die Stammrezeptur enthält traditionell neun Gewürzarten. Lebkuchen wurden schon im 13 Jh., allerdings noch in deutlich anderer Geschmacksrichtung hergestellt, denn man kannte noch nicht alle heute enthaltenen Gewürze.

Drei Generationen der Familie Speth aus Mörschenhardt zur Weihnachtszeit 1966, mit einem Teller selbst gebackener Weihnachtsplätzchen in der guten Stube unter dem Herrgottswinkel.

Allmählich entwickelten sich sogar echte Lebkuchenhochburgen, wie Nürnberg (Nürnberger Lebkuchen) oder Aachen (Aachener Printen). Auch bei uns im Odenwald ist mit dem hessischen Beerfurth inzwischen eine echte Lebkuchenhochburg entstanden. Die im Odenwald jedoch am Weitesten verbreitete Plätzchenart sind die Springerle, die bereits im 16. Jh. aufkamen. Es gibt sie in unterschiedlichen Formen, wobei gerne sehr aufwendig geschnitzte „Holzmoodel“ (Holzformen) verwendet wurden, oder sogar noch werden. Diese Formen sind häufig schon uralt und es war Tradition, diese von Generation zu Generation weiterzugeben. Wer noch welche hat, für den haben diese alten Backförmchen heute eher einen ideellen als einen materiellen Wert. Zu schade zum Wegwerfen! Inzwischen backt man bei uns eher eine Abwandlung der Springerle, die Anisplätzchen. Diese bekommen beim Backen eine knusprige Haube und einen weichen Fuß. Die Herstellung ist hier allerdings nicht ganz so aufwendig wie bei den Springerle. Die Backrezepte der alljährlich hergestellten Weihnachtsplätzchen wurden gerne in selbst zusammengestellten Büchern aufgeschrieben und wie die Förmchen auch, an die nächste Generation weitervererbt. Manche handschriftlichen Rezepte liegen zwischenzeitlich in einer derart alten Handschrift vor, dass die heutige Generation diese nicht einmal mehr lesen kann. Üblicherweise wurden in den Familien mehr als zehn Sorten Weihnachtsplätzchen gebacken, um zum Fest eine reiche Vielfalt davon vorzuhalten. Manche Sorten wurden zum Fest erst richtig gut, wenn sie für eine gewisse Zeit Luftfeuchtigkeit aufnehmen konnten – vorausgesetzt sie erleben das Fest überhaupt. Die Weihnachtsplätzchen wurden dann in Dosen oder irdenen Töpfen an geheimen Orten aufbewahrt und eingeschlossen. Das Versteck war erforderlich denn die Plätzchen sollten ja zum Fest etwas Besonderes und vor allem noch reichlich vorhanden sein. Folglich entwickelten sich die Verstecke für die Kinder zum Objekt der Begierde, denn man musste ja schließlich (täglich) probieren. Sie schmeckten umso besser, je origineller das Versteck und je mehr Plätzchen vorhanden waren. Nicht selten gab es dann rechtzeitig zur Bescherung einen handfesten Streit, wenn manche Plätzchensorte schon (fast) vertilgt war, bevor es überhaupt Weihnachten wurde.





Am Andreastag, dem 30. November, schnitten die Männer einige Obstzweige ab, die man am Tag der Heiligen Barbara, dem vierten Dezember, zwischen 11:00 Uhr und 12:00 Uhr in eine Vase gab und an einem warmen Platz in der guten Stube aufstellte. Verwendet wurden Zweige verschiedener Baum- und Straucharten. In unserer Region waren dies zumeist Kirschzweige. Dem Aberglauben nach war schon der Zeitpunkt des Schneidens ein wichtiges Indiz dafür, ob die Zweige auch tatsächlich zum Christtag blühen. Sofern dies gelingt gilt dies als gutes Zeichen für die Zukunft. Der Brauch geht zurück auf die Heilige Barbara, eine der vierzehn Nothelfer und Schutzpatronin der Geologen, Bergleute, Dachdecker, Soldaten und Sterbenden.

Winter

Sie wurde in einer Zelle gefangen gehalten weil sie den christlichen Glauben lebte und sich gegenüber ihrem Vater weigerte, einen Heiden zu heiraten. Aus Zorn auf seine Tochter, ließ ihr Vater sie einsperren und auf dem Weg in den Arrest, verfing sich ihr Kleid an einem ausgetrockneten Kirschbaumzweig, der in ihrer Zelle zu Boden viel. Auf diesen tropfte sie immer wieder Wasser aus ihrem Trinkbecker. Am Tag ihres Märtyrertodes stand der Zweig in voller Blüte. Wie so viele Bräuche in der Vorweihnachtszeit gilt der Barbarazweig für die Christen als ein Symbol der Erneuerung. Eine alte Bauernregel sagt: „Knospen an St. Barbara, sind zum Christfest Blüten da“.

 

Des einen Freud, des anderen Leid - Winter in der Adventszeit 1970/71 in Schloßau

 

Thomas Müller, Schloßau im Dezember 2020