Schweinehirten waren Saisonarbeiter

Seit dem Beginn der Schweinehaltung und des Schweinetriebes gab es in den Dörfern auch Hirten. Die Dorfbewohner erkannten nämlich bald, dass es mehr Sinn macht die Tiere als Rotte und nicht einzeln in den Wald zu treiben, denn Schweine sind Gruppentiere und das erleichterte den Umtrieb ganz erheblich. Zudem war dann nur eine Person zum Hüten der Borstentiere abzustellen. Die übrigen Dorfbewohner konnten in dieser Zeit andere Arbeiten verrichten.

Die Schweinehüter waren in der Regel Beauftragte der Dorfbewohner und später Angestellte in den bereits organisierten Dörfern bzw. innerhalb der Gemeinden. Sie erhielten neben Naturalien auch einen festgelegten Lohn. Dieser wurde anteilmäßig, gemäß der Anzahl ausgetriebener Schweine, umgelegt. Die Tätigkeit war natürlich schlecht bezahlt und reichte keinesfalls zur Anhäufung von Reichtümern. Entsprechend spärlich waren die Lebensumstände. In Schloßau, wie in vielen anderen Dörfern auch, wohnte der Dorfhirte über Jahrhunderte in einem gemeindeeigenen, einfachen ja im wahrsten Sinne „hutteligen“ Haus. In Schloßau hatte dieses zudem einen kleinen Garten. Das Anwesen befand sich auf Almendebesitz (Gemeindebesitz), wobei das Wohnrecht auf den Hirtenlohn angerechnet wurde. Das Haus, sowie auch der Beruf des Hirten, wurden üblicherweise an einen Nachkommen weitervererbt. Erst Mitte des 19. Jh, mit den zunehmend besser organisierten Dorfgemeinschaften, wurde der Hirte in den Dörfern per Vertrag beauftragt. Die Tätigkeit wurde seitens der Gemeinde dann in der Regel über mehrere Jahre verpachtet. Sein Lohn wurde zu Jahresbeginn für ein Jahr festgelegt und zumeist um „Martini“, also im November, ausbezahlt. Wurde über die Zeit des Schweinetriebes ein Mutterschwein trächtig, dann erhielt der Hirte vom Besitzer üblicherweise eine Zugabe zu seinem Lohn. In den Dörfern wurde speziell zur Vermeidung von Erbschäden (Inzucht) schon frühzeitig ein dorfeigener Eber gehalten, der den Umtrieb der Schweine natürlich bereicherte. Der Dorfeber wurde in bestimmten Abständen mit anderen Dörfern getauscht. Die Dorfhirten waren also immer bemüht, speziell dieses Tier dabei zu haben. Wurden die Schweine einmal übermütig und es entstand Schaden am dörflichen Inventar, dann hatte dies Folgen, denn hierfür haftete der Treiber mit seinem persönlichen Besitz. Versicherungen hierfür gab es damals noch nicht und wären für die Hirten auch nicht erschwinglich gewesen. An kritischen Stellen, wo also Gefahr bestand dass die Schweine ausbüxen, setzten die Dorfbewohner daher große Steinplatten (Stellsteine), um die Tiere auf dem Weg zu halten. Diese sind in vielen Odenwalddörfern auch heut noch zu sehen. Sie deuten somit auf den ehemaligen Triebweg hin und erinnern uns ebenso wie abgeleiteten Namen an die Zeit der Schweineprozessionen.

So gibt es in vielen Odenwalddörfern noch einen „Saitrieb“, zwischen Donebach und Ünglert  ist der Säubuckel, in Waldauerbach ein Gewann „am Trieb“, in Hardheim der Triebweg und in Schloßau noch die „Saugasse“, die auch liebevoll „Schweineallee“ genannt wird in den Landkarten eingetragen. Dort sind überall noch viele der genannten Stellsteine zu finden.

Auch seine Ausrüstung musste der Hirte selbst stellen, handelte es sich hierbei auch nur um das Signalhorn (Saiherdspfeife) und eine Haselnussrute mit einem Lederriemen an dem ein besonderer Faden (Schmees) befestigt war, der richtig geschwungen einen Knall erzeugen konnte. War der Hirte mit der Gruppe am Ziel, musste er die Schweine nur noch in Zaum halten. Mancherorts war dieser Bereich hierzu mit Holzstangen eingepfercht.

Selbst den „Arbeitsplatz“ im Wald, musste sich der Hirte in Eigenregie organisieren. Zumeist hatte er dort einen einfachen Unterstand gegen Wind und Regen. Hier verbrachte er dann einige Stunden im Kreise „seiner“ Schweine. Am Stand der Sonne oder sofern hörbar auch am Glockenschlag, wusste der „Schweinebeauftragte“ schließlich wann es Zeit war die Rotte ins Dorf zurückzutreiben. Zurück aus dem Wald wurde die Gruppe dann häufig von Kindern in Empfang genommen und durch das Dorf begleitet. Der „Saiherd“ musste hierbei aber auch so manchen Spott über sich ergehen lassen, was ihn natürlich auch ärgerte. Anlass hierfür bot vor allem die Duftwolke, die permanent die Tiere umgab. Der schweinetypische Geruch haftete natürlich tagein, tagaus auch dem Hirten an. Es hatte im wahrsten Sinne des Wortes ein „G´schmäggle“, wenn er im Zimmer anwesend war. „Man sieht ihn noch nicht, aber riecht ihn schon!“ - Tägliche Körperpflege steckte noch in den Kinderschuhen!

Der Viehtrieb wurde alljährlich mit den kürzer werdenden Tagen und der schlechter werdenden Witterung eingestellt. In der Winterzeit hatte der Schweinehirt dann andere Aufgaben. Teils arbeitete er zusammen mit den Holzhauern im Wald oder auch als Wegewart. Häufig führte er auch im Auftrag der Gemeinde Reparaturen aus und half im tiefsten Winter beim „Schanzen“, denn Schneeräumen war für Jahrhunderte Handarbeit und die Winter waren in der Regel schneereicher, kälter und vor allem hartnäckiger als heute. Die Arbeit ging ihm also auch im Winter nicht aus und die kürzer werdenden Tage boten dann auch Gelegenheit für lange Abende in den vermehrt aufkommenden Wirtshäusern.

Bild 3 Stellsteine gab es in Schloßau auch im Bereich der alten Dorfwaage. Dort standen sie sogar auf beiden Straßenseiten dicht an dicht, um die Schweine auf dem Weg zu halten, bevor sie von hier aus ihren letzten Gang antraten. Irgendwann behinderten die mächtigen Steinplatten den Verkehr und wurden daher bis auf einige wenige entfernt.

Bild 4 Valentin Hess („Hesse Felde“) aus Mörschenhardt war einer der letzten aktiven Hirten im Odenwald. Die markanten Gesichtszüge und die lederartige Haut sind u.a. die Folge vom Aufenthalt in der Natur, bei Wind und Wetter. Das Signalhorn und die markante Tabakpfeife waren sein Markenzeichen. Das Signalhorn ist heute im Waldmuseum in Preunschen zu bestaunen.

Thomas Müller 

Bilder: Repro Thomas Müller