750 Jahre Schloßau

Festvortrag von Thomas Müller, Schloßau

Es steht kein Schloß auf grüner Au750 Grusskarte 1

und keine Burg im Walde.

Nein, eingeschlossen liegt Schlossau

im Wald und Feld und Himmelsblau

auf weiter Wiesenhalde.

Mit dieser kleinen Liebeserklärung an unser Dorf aus der Feder des Scheidentaler Heimatdichters Wihelm Trunk darf auch ich Sie alle ganz herzlich an unserem heutigen Festtag begrüßen und möchte Sie gleichzeitig einstimmen, ja einladen, auf eine Reise in die Vergangenheit, auf einen Rückblick auf 750 Jahre Schloßau, von der Zeit der Ersterwähnung des Dorfes bis heute.

Um genau zu sein handelt es sich ja nicht nur um die Ersterwähnung von Schloßau, sondern der Orte Kirchzell, Buch, Donebach, Mörschenhardt, Mudau, Preunschen sowie Schloßau mit dem Neuhof, und dies im Gleichklang mit der Erwähnung der Burg Wildenberg. Die sieben Dörfer wurden also 1271 das erste Mal genannt, in Wirklichkeit sind sie natürlich schon älter. Das Dorf Schloßau ist, so wie die anderen Ortschaften auch, wahrscheinlich eine Rodungssiedlung des Klosters Amorbach aus dem 9. bis 10. Jh., also aus der Zeit der Franken. Wir erhalten mit der Urkunde also eine 750 Jahre alte Bestätigung seiner Existenz. Die Urkunde selbst hat der Vorsitzende des HVV Mudau, Hans Slama, für die Gesamtgemeinde Mudau beschafft. Eine Stele am Mudauer Rathaus erinnert an den Verkauf vor 750 Jahren. Die Urkunde liest sich für den Tag der Ausstellung, also für den 19. Mai 1271 wie folgt:

„Ulrich von Dürn und seine Gemahlin Adelheid verkünden und bezeugen gemäß der Anwesenden öffentlich, dass wir nach einstimmigem Wunsch und Beschluss unserem Herrn Erzbischof Werner und seiner Kirche in Mainz unsere Burg Wildenberg verkauft haben und zwar für 900 Mark der Kölner Münze oder für Hallesche Mark der gleichen Summe, wobei je Denar drei hallesche Mark zu rechnen sind. Zusammen mit den zugehörenden Dörfern, nämlich Kirchzell, Buch, Preunschen, Donebach, Mörschenhardt, Schloßau mit dem Neuhof, und Mudau, mit den Wäldern, Wiesen, Weiden, Feldern, bestellt oder unbestellt, Gewässern und Flussläufen, Mühlen, Gerichtsbarkeiten und all ihren Besitzungen.“

Soweit der Auszug aus der Übergabeurkunde.

Das Adelsgeschlecht der Herren von Dürn hatte zu jener Zeit großen Einfluss auf unser Gebiet. Kaiser Barbarossa übertrug seinem verdienten Gefolgsmann Ruprecht von Dürn den Schutz der Abtei Amorbach und des Raumes entlang der Mud. Ruprecht von Dürn nutzte diese Macht zumindest teilweise auch zu seinem Vorteil, indem er sich an Klostergütern, die er eigentlich schützen sollte, bereicherte.

Aber ebenso rasch wie die Herren von Dürn emporkamen, zerfiel ihre Macht auch schon wieder.

Der Verkauf der Dörfer durch Ullrich von Dürn im Jahr 1271 an den Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein geschah wahrscheinlich aus Geldnot. Hier wurde also Schloßau erstmals als „Slozzahe“ urkundlich erwähnt. Soweit die damalige Situation.

750 Kircheneck

Über unser Dorf möchte ich zusammenfassend folgendes berichten:

Schloßau liegt auf einem Höhenzug, der sich vom Neckar über den 626 m hohen Katzenbuckel in nordöstliche Richtung bis zum Main erstreckt.

Schloßau liegt am Rande von tief abfallenden Waldtälern und dann wieder steil ansteigenden Bergen. Dies ist zu beobachten in Richtung Hesselbach, zur Teufelsklinge, in Richtung Wassergrund und der Kinzert.

Schloßau liegt im Mittel etwa 511 m über Normalnull, einige Gemarkungspunkte liegen sogar auf einer Höhe von 550 m.

Schloßau liegt auf der Wasserscheide zwischen Main und Neckar, die sich speziell entlang der Straße in Richtung Hesselbach sehr gut erkennen lässt. Links der Straße läuft das Wasser in den Neckar, rechts der Straße in den Main.

Schloßau liegt auf den nährstoffarmen Böden des Buntsandsteins, der den Odenwald vom Bauland mit seinen fruchtbaren Kalkböden unterscheidet. Buntsandstein wurde hier noch bis in die 1950er Jahre in vier sowie in Waldauerbach in einem Steinbruch abgebaut.

Schloßau ist somit eines der höchsten Odenwalddörfer und hat nach Reisenbach die zweithöchsten Gemarkungspunkte in der Gesamtgemeinde Mudau.

Schloßau liegt nahe dem Dreiländereck Baden-Württemberg, Bayern und Hessen.

Schloßau zählt mit 2240 ha (inklusive Waldauerbach) zu den größten Gemarkungen im ehemaligen Kreis Buchen, wobei der Anteil des Waldes ca. 70 % beträgt.

Schloßau hat ein rauhes Klima. In den Wintern ist es gerne einen „Kittel kälter“ als woanders. Soweit die Ausführungen zur Lage sowie ein kleiner klimatischer Eindruck.

Mit Beginn der Aufzeichnungen von 1271 hieß das Dorf also Slozzahe, in einer Urkunde vom 20. Juni 1322 wird der Ortsname erneut erwähnt, als in Amorbach die Herrenmühle an das Kloster Amorbach verschenkt wird. Diese Mühle, so heißt es in der Urkunde, liegt am „Slozzah“. Der Bach, der bis hinunter zum Main heute Mud heißt, wurde ursprünglich also „Slozzah“ genannt. Das Schloss in der Au ist nach Professor Schumacher nicht die Grundlage für den Namen von Slozzahe. Vielmehr stand der fließende Bach für den Namen Pate. Dieser ist im althochdeutschen „ahe“ enthalten, was tatsächlich „fließendes Wasser, sprudelnder Bach“, bedeutet. Hiermit dürfte das Wasser von der „Weet“ (Klocksbrunnen) im Zusammenfluss mit dem Hessebrünnle gemeint sein, denn beide hatten ursprünglich eine gute Schüttung. Diese formten den Slozzah, der durch die Teufelsklinge, über Ernsttal, Ottorfszell, Kirchzell nach Buch und dort in die Mud fließt.

Mit dem Schloss kann nur das Römerkastell im Burggewann gemeint gewesen sein, dessen Überreste bei der Neubesiedlung, knapp 1000 Jahre nach der römischen Epoche von Schloßau somit noch sichtbar gewesen sein müssen.

Ab 1271 ändert sich der Ortsname häufig: Zuerst also Slozzahe, 1395 und 1413 Sloßawe, 1440 Sloßaw, 1462 Slossach, 1468 Slozzach. In einem Jahrhundert änderte sich der Name also dreimal. Im 16. Jahrhundert geht es weiter, 1550 und 1585 Schlossach, 1567 Schlossich, 1570 Schloßaw. Es gab also wieder vier Namensänderungen. Danach kam es erst wieder nach dem 30-jährigen Krieg zu einer Namensänderung, nämlich im Jahr 1650 Schloßich, 1653 wieder Schloßaw, 1801 wieder Schloßach und schließlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts der heutige Namen Schloßau. Im Volksmund heißt das Dorf übrigens „Schlossi“. Die vielen Namensänderungen sind gewiss auch auf unleserliche Handschriften zurückzuführen - unterliegen also auch „Fehlinterpretationen“. Herr Landrat, stellen sie sich vor, der Ortsname würde sich in heutiger Zeit alle 20 bis 30 Jahre ändern. Kaum ist der Verwaltungsakt einer Änderung um, kommt der nächste.

Die Entstehung und Besiedlung eines Höhendorfes wie Schloßau war in vielen anderen Dörfen wie Mörschenhardt, Donebach, Scheidental oder Waldauerbach ähnlich. Derartige Dörfer hatten ihren Ursprung in der Form eines Waldhufendorfes, wobei die offene Flur in einzelne Huben oder Güter aufgeteilt wurde, die jeweils 30 – 60 Morgen umfassten (ein Morgen entspricht bei uns 25 ar). Jede Siedlerfamilie erhielt eine solche zusammenhängende Hube. Man geht heute davon aus, dass die Besiedlung all dieser Dörfer auf Karl den Großen zurückgeht, der im 8. Jh. Mönche beauftragte, den dunklen, dicht bewachsenen Odenwald zu missionieren. Ziel war es, den katholischen Glauben zu verbreiten sowie die Entwicklung von Dörfern voranzutreiben. Karl der Große sah hierin vor allem Steuereinnahmen, dachte aber auch an eine aufstrebende Gesellschaft mit breit gefächertem Wissen für Ackerbau und Viehzucht, denn die Menschen in ihren einfachen Hütten lebten damals von dem was die Natur hergab – von Beeren, der Jagd, etwas Getreideanbau, Pilzen und Fleisch aus dem eigenen Stall. Das Wissen beschränkte sich auf das, was man überliefert bekam. Gesiedelt wurde seitens der Mönche vor allem im Bereich von natürlichen Wasserläufen, Quellen und Brunnen. Hieraus entwickelten sich die ersten Häusergruppen der immer noch weitläufigen Dörfer. Nach dem Verkauf folgten 532 Jahre Mainzer Herrschaft unter der Verwaltung durch das Kloster Amorbach. Dies war die Zeit zwischen 1271 und 1803. Alles was in Schloßau ging, lag und stand, gehörte dem Kloster Amorbach. Dieses war der Herr und Gebieter über das Dorf. Das Amorbacher Zinsbuch aus dem Jahr 1395 zeigt damals schon ein vollkommen abgerundetes Bild einer fertig gewordenen Gemarkung mit Wald, Ackerland, Weiden und 24 Huben (Höfe). Als Grundherr beanspruchte das Kloster Amorbach in Schloßau neben dem Grundzins (eine feste Abgabe, die zu leisten war = Fixkosten) auch den Zehnten (Abgabenanteil am Ertrag eines Jahres, also z. B. an der Ernte = variable Kosten). Der Grundzins wurde teilweise in Geld und Naturalabgaben geleistet. Es mussten u.a. Früchte, Käse, Eier oder Hühner abgeliefert werden. Den großen Zehnten (z.B. Getreide) erhielt das Kloster und später, ab 1803, der Fürst von Leiningen komplett. Vom kleinen Zehnten bekam das Kloster die Hälfte, die übrige Hälfte ging an die Pfarrei Mudau, zu der ja auch Schloßau gehörte. Daneben gab es noch eine ganze Reihe von Frondiensten also Arbeiten die zu leisten waren.

Das Dorfbild von Schloßau bestand lange Zeit aus drei Häusergruppen mit insgesamt 24 Huben. Sie lagen verstreut am Schellberg, dem heutigen Kircheneck, und rings um die „Weet“. Dazwischen lagen immer wieder Wiesen und Äcker, die nur durch einen Verbindungsweg zur nächsten Hube durchzogen waren. Im Laufe der ersten Jahrhunderte haben sich die äußere Form- und die Besitzverhältnisse der 24 Güter nur langsam gewandelt, schließlich galt das Anerbenrecht. Dies bedeutet, die Güter durften nicht geteilt werden, um eine Zersplitterung zu vermeiden. Es galt der Slogan „Einer bekommt das Gut die anderen nehmen den Hut!“ So blieben die Dörfer meist klein. Wurde der Hof bzw. die Hube aber doch an mehrere Kinder aufgeteilt, gab es Strafen in Form von Steuern- und Abgabenlasten, die für jeden Erbteil genauso hoch waren, wie für die zuvor noch einzelne ungeteilte Hube. Aufgrund dieser Steuerbürde, die auf den Höfen lag, schlossen sich die Lücken zwischen den drei Dorfteilen auch nur langsam. Entlang der Verbindungswege entwickelten sich nur allmählich weitere Güter. Dies ist schön zu erkennen entlang der Mörschenhardter Straße, dem Alten Weg, dem Fuchseneck und dem Römerweg. Rechts und links dieser Straßen steht immer nur ein Anwesen. Durch die verbesserte Verkehrsführung entwickelte sich dann allmählich ein Straßen- und Wegenetz. Im Kircheneck bestand der ursprüngliche Dorfteil aus den Familien Scheuermann (Anselm) und Benig (Arthur bzw. Klaus Benig) sowie bei dem heutigen Rathaus durch die Familien Geier (Rudolf und Bruno) und ein paar weiteren Häusern. Auf dem Schellberg stand ebenso eine Häusergruppe, heute bekannt als die Familien Trunk, Isidor Herkert, Giebel und Noe. Dort lebte auch der Steuereintreiber „Zehntschöpf“. Auch hier gab es noch ein paar weitere Häuser.

Die Anwesen von Friedrich Benig, heute Claude Leonard und Reinhold Schäfer (Linusse Reinhold), bildeten mit ein paar weiteren Häusern im Römerweg das Dorfende um die „Weet“ herum. Hinter dem heutigen Forsthaus lag noch das Frankengut und Richtung Waldauerbach war das Dorf bei Alfred bzw. Reinhard Hemberger sowie Paul Schüssler zu Ende.

In dieser Form existierte das Dorf also über Jahrhunderte und wuchs wie gesagt nur langsam. Mal kam ein Anwesen hinzu, mal wurde ein Anwesen abgebrochen oder umgebaut. Erst ab etwa 1870 entwickelte sich dann z.B. die ehemals Ernstthaler Straße, heute Kailbacher Straße. Dieser obere Dorfteil trägt im Volksmund den Namen „Houschd“. Diese beginnt übrigens bei Ernst Mechler im Hof. Die Dorfbewohner vom oberen Dorfteil rings um die „Weet“ gingen jahrhundertelang durch den Alten Weg hinüber zum Kircheneck oder unterwegs über die Saugasse hinunter zum Fuchseneck bis zum Schellberg. Dies war auch der alte Schweinetrieb durch Schloßau, hin zum Neuhof. Im Jahr 1889 wurde dann die Neue Straße gebaut, die seither als Hauptstraße zum Dorf hinaus am Friedhof vorbei nach Mudau führt. So lange war die alte Pfarrer-Lahner-Straße einer der Hauptwege in Richtung Mudau. Die Leute vom Fuchseneck oder vom Schellberg gingen über die Jockengasse nach Mudau. Die Menschen vom Kircheneck nutzten eine Abkürzung am Wasserturm vorbei über die Geiershecke. In Mudau gab es ehemals 26 Vieh- und Jahrmärkte, daher waren diese Wege so wichtig.

Eine planmäßige Weiterentwicklung des Dorfes kam schließlich in den 1950er Jahren mit der Siedlung im Striet (Stichwort Strietstraße) und in den 1980er Jahren mit dem Baugebiet „Obere Wiesen“ (Stichwort Ringstraße), sowie ab 2002 mit dem Baugebiet Burggewann (Stichwort Am Limes).

Auch die Zahl der Bewohner unterlag stets einem Wandel. Über die ersten Jahrhunderte ist uns keine Einwohnerzahl bekannt. Eine erste Zahl erfahren wir in den Reichssteuerlisten von 1495/96 mit 110 Einwohner, 1552 dann 150 und im Jahr 1610 sind immerhin 250 Menschen aufgeführt. 1648 am Ende des Dreißigjährigen Krieges waren allerdings nicht einmal mehr 10 % davon übrig, es gab nur noch vier Männer und etwa 20 Frauen und Kinder. Schuld daran war nicht nur der Krieg, sondern auch zwei Pestpandemien, die 1635 und 1650 über Deutschland hinwegzogen. Ein Lockdown, FFP2 Masken und Mehrfachimpfungen wären damals sicher genauso angebracht gewesen wie heute - vorausgesetzt man hätte welche gehabt und gewusst, worin die Ursache für die vielen Toten liegt! Die Wiederbesiedelung des beinahe ausgestorbenen Dorfes Schloßau verlief zögernd, denn 1659 gab es erst 30, 1668 dann 64 Einwohner die auf elf Höfen lebten. Das Erzbistum Mainz hatte Menschen aus dem Süden mit einem Bauerngut in den Odenwald angelockt. Es kam zu Umsiedlungen von Südtirolern, Schweizern und Italienern zu uns. Erst ab etwa 1750 gab es wieder 24 Höfe. Die Familie Sennert z.B. hat nachweislich Südtiroler Ursprünge. Im Jahr 1803 lebten schließlich 381 Seelen im Dorf. Bei einer Volkszählung 1895 dann schon 654. Die Bevölkerung erlebte also über Jahrhunderte Schwankungen nur bis maximal 250 Personen. Erst zwischen 1803 und 1895 hatte sie sich nahezu verdoppelt. Heute leben zusammen mit Waldauerbach 870 Menschen in den beiden Ortsteilen.

Doch wollen die Menschen in einem Dorf auch ernährt werden. Zu dem wenig fruchtbaren Boden kommt das raue Hochflächenklima des Odenwaldes hinzu und damit ist klar, warum in unserer Region die Landwirtschaft mit nur mäßigem Erfolg betrieben werden konnte. Lediglich der Hafer brachte einigermaßen gute Erträge ein. Die Region war also über Jahrhunderte als arm einzustufen. Daher sagte man: Die Leute hier leben von den drei „B“, von „Beeren“, „Besen“ und „Betteln“.

Ein Blick auf die kirchliche und schulische Situation zeigt, dass die Einwohner seit dem Mittelalter bis in die heutige Gegenwart zum größten Teil der katholischen Konfession angehören. Schloßau gehörte einst zur uralten Mutterpfarrei Hollerbach. Dorthin musste man zur Kirche.

Nachdem Mudau sich 1426 von der Mutterkirche in Hollerbach gelöst hatte, war der sonntägliche Kirchweg auch für die Schloßauer Bevölkerung wesentlich kürzer geworden.

Nach dem Anstieg der Bevölkerungszahl ab 1700 wollte man auch eine eigene Kirche. Im Jahr 1731 hat die Gemeinde auf eigene Kosten eine Kapelle gebaut, die dem hl. Wolfgang geweiht wurde. In ihr konnten die Ortsansässigen zwar ihre Gebete verrichten, aber zur Ausübung ihrer christlichen Hauptpflichten mussten sie weiterhin nach Mudau.

750 Kirche

Erst 1860-64 konnten die Schloßauer eine große Dorfkirche bauen. Die alte Kapelle diente fortan für 34 Jahre als Vorhalle und war an der neuen Kirche direkt angebaut. Die Gemeinde hatte sogar ihr Gemeindegut verpfändet, um die nötigen 13.000 Gulden für die Kirche aufbringen zu können. Jetzt hatten die Schloßauer einen eigenen Sonn- und Feiertagsgottesdienst. Um einen eigenen Pfarrer zu erhalten, baute man aus eigenen Mitteln zwei Jahre später auch ein Pfarrhaus. Es wurde zudem ein Friedhof angelegt. Im Jahre 1870 wurde Schloßau schließlich zur eigenen Pfarrei erhoben, zu der auch Waldauerbach, Schöllenbach und Ernsttal gehörten. Erst im Jahre 1898 konnte dann ein Kirchturm errichtet werden. Heute ist die katholischen Kichengemeinde Schloßau Teil der Seelsorgeeinheit Mudau. Die Geschichte entwickelt sich also wieder rückwärts in Richtung größere Pfarrgemeinden. „Alles schon mal da gewesen“.

Die Schloßauer Schulgeschichte lässt sich wie folgt aufzeigen: Bis ins 19. Jh. hinein war die Schule zumeist eine private Einrichtung der Gemeinden. Den Schulunterricht, der nur im Winter von Allerheiligen bis Ostern stattfand, erteilte im 17./18. Jh. meist ein Handwerker oder ein Dorfbewohner, der Lesen und Schreiben konnte. Der Unterricht fand gewöhnlich in der Stube eines Bauernhofes statt.

Ungefähr seit Beginn des 18. Jh. bestand in Schloßau eine Schule. Der Lehrer wurde in Naturalien bezahlt, deren Höhe sich nach dem Besitz der einzelnen Bürger richtete.

Das erste Schulhaus in Schloßau mit nur einem Lehrsaal, war einstöckig, aus Holz und strohgedeckt. Es wurde im Jahr 1817 neben der Kapelle gebaut für 90 Schulkinder mit einem Lehrer. Bekannt war Joseph Anton Obernitz, der um jene Zeit 40 Jahre lang in Schloßau unterrichtete.

Das alte Schulhaus wurde im Jahre 1877 durch ein neues für 146 Schüler ersetzt, das 2 Lehrsäle und 2 Lehrerwohnungen hatte.

Die zwei Lehrsäle im Schulgebäude reichten auf Dauer auch nicht aus, da für die älteren Kinder auch der Handarbeits- und Kochunterricht zu bewerkstelligen waren. So musste die Gemeinde immer wieder private Räume anmieten. Dies geschah z.B. im Forsthaus oder im Gasthaus Grüner Baum, nachdem es diesen gab.

Als in Mudau 1852 eine Strohflechtschule eingerichtet wurde, eröffnete im Jahre 1866 auch in Schloßau eine derartige Schule im heutigen Rathaus. Es war quasi die erste Berufsschule. Es wurde das Flechten mit Stroh gelehrt.

Gegen Ende des 19 Jh. Musste die Strohflechtschule mangels Interesse eingestellt werden.

Aufgrund akuter Raumnot baute die Gemeinde schließlich 1964 für die 130 Schüler ein neues Schulhaus mit Turnhalle sowie 1971 ein integriertes Lehrschwimmbecken.

Ab 1966 mussten die 8. Klasse, dann die neu eingeführte 9. Klasse und schließlich alle Hauptschüler, die Mudauer Schule besuchen. Legendär ist ein angedrohter Streik der Schloßauer Schüler der 9. Schulklasse, die nicht nach Mudau zur Schule wollten. Diese Schüler umtrieb der Slogan: „Wir gehen eher nach Hesselbach als nach Mudi!“

Die Schloßauer Schule wurde schließlich Anfang der 1970er zu einer Grundschule im Nachbarschaftsverbund mit Schülern aus Schloßau, Waldauerbach, Ober- und Unterscheidental, Reisenbach und Ernsttal mit Waldleiningen. Heute besuchen etwa 50 Grundschüler die Schloßauer Schule.

Der Luxus, Lesen und Schreiben zu können, war über Jahrhunderte den reicheren Schichten und vor allem kirchlichen Berufen vorbehalten. Aus der Sicht des Adels lebten die Menschen, um zu arbeiten, aus der Sicht der Bauern arbeiteten sie allerdings um zu leben und um zu dienen. Dies führte zu manchem Unmut und dieser mündete nicht selten in einen Krieg:

Der Bauernkrieg im Jahr 1525 führte zur Zerstörung der Wildenburg. Ihr Anführer war Götz von Berlichingen, der den Hellen Haufen vom Jagsttal über das Bauland nach Buchen, Walldürn und Miltenberg führte. Schloßau selbst spielte im Bauernkrieg keine Rolle.

Der 30-jährige Krieg zwischen 1618 und 1648 brachte zunächst Hunger und Pestjahre mit sich. Von 46 in Schloßau zum Dienst verpflichteten Männern blieben nach dem Krieg nur vier am Leben. Im Ort selbst lebten am Ende des Krieges von ehemals 250 Einwohnern insgesamt nur noch 20 Frauen und Kinder sowie 4 Männer. Im 30-jährigen Krieg zog der oberste Heerführer der katholischen Liga, er hieß Tilly, auch durch unsere Region. Die Truppen des Schwedenkönigs Gustav Adolf hingegen waren evangelisch. Durch diese Religionsauseinandersetzungen brannten durchziehende Truppen die am Wege gelegenen Ortschaften häufig nieder.

In Folge des Krieges gab es, wie so oft, große Not und Armut. Vor allem die Männer fehlten. Das rauhe Klima, die schlechte Ertragsfähigkeit der kargen Böden, sowie die geforderten Zehntabgaben, brachten die Menschen oftmals dazu zu wildern und zu stehlen, was sie nur konnten. In den Schlupfwinkeln der Umgebung, wie in Galmbach, Ferdinandsdorf, dem Wassergrund und Rineck, konnten sich Räuber und fahrende Leute gut verstecken. Ab der Mitte des 18. Jh. taten sich richtige Räuberbanden hervor, die aufgrund der Nähe zum Dreiländereck der Polizei gut entkommen konnten. Denn der Dienstbezirk der Gendamerie endete an der jeweiligen Landesgrenze. Gleichzeitig gab es auch mehrere Naturereignisse. In den Jahren 1783 bis 1785 ist auf Island der Laki-Krater ausgebrochen. Dieser Vulkanausbruch führte zu massiven landwirtschaftlichen Einbußen und mündete unter anderem 1789 in dem Aufbegehren der Franzosen gegen ihren Sonnenkönig. Sie forderten Freiheit, Gleichheit Brüderlichkeit. Die Geschichte wiederholte sich 1815, als auf Indonesien der Vulkan Tambora ausbrach. Die gesamte Nordhalbkugel lag über Jahre unter einer Dunstglocke. 1816 erfroren im August die Kartoffel auf dem Feld. Um 1830 mussten viele wohlhabenden Bauern schließlich ihre Güter verkaufen. Die Notsituationen der bäuerlichen Bevölkerung spitzen sich zu und mündeten schließlich in den

revolutionären Ereignissen von 1848/49, bekannt als „Badische Revolution“. Die Bauern aus dem Raum Mudau hatten ihre missliche Situation und die Abgabenlast satt. Sie zogen in Richtung Ernsttal, wo sie die Akten des Rentamtes verbrannten. Den Schloßauern wurde zuvor vom Bürgermeister aufgetragen, keine Gewalt anzuwenden und so gingen sie erst gar nicht mit zur Revolte. Die Schloßauer waren halt schon immer anständige und friedfertige Leute.

Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 waren auch Schloßauer eingezogen worden. Nach diesem Krieg entwickelte sich mit dem Kriegerverein der erste Schloßauer Verein. Es folgten 7 weitere. Nachdem Deutschland diesen Krieg gewonnen hatte, wurde Kaiser Wilhelm In Versailles zum Kaiser proklamiert.

Der Erste Weltkrieg 1914 - 1918 mit neuester Waffentechnik, wie Panzer, Flugzeuge aber auch Gaseinsatz, ging als Grabenkrieg in die Geschichtsbücher ein und war der bis dato grausamste Krieg auf deutschem Boden. Schloßau blieb von Zerstörungen verschont, doch zeugt seither das Kriegerdenkmal von vielen Toten und Vermissten. Es folgte die Weimarer Republik mit einer Weltwirtschaftskrise. Es mussten utopische Summen für Güter des täglichen Bedarfs wie Brot, Eier und Milch bezahlt werden. Dem gegenüber stand nur ein geringes Einkommen der Bevölkerung. Mit der Inflation war die nächste Notsituation entstanden. Schloßauer Bauern konnten diese durch Selbstversorgung weitestgehend abfangen. Betrachten wir dies aus heutiger Sicht, erleben wir aktuell gerade einen ähnlichen Prozess - hoffentlich wissen die Verantwortlichen, was sie tun. Es folgte die Weltwirtschaftskrise der Weimarer Republik.

Diese mündete schließlich 1939 – 1945 in den Zweiten Weltkrieg

Die Schloßauer erlebten bis 1942 eine relativ ruhige Kriegszeit. Dann wurde die Stellung Eber am Waldrand Richtung Hesselbach gebaut. Danach durchkreuzte täglich das Militär unser Dorf. Die Stellung wurde zum Ziel einzelner Angriffsflüge und geriet am 15.03.1945 in den Blick eines englischen Aufklärungsflugzeuges. Die Stellung sollte daraufhin zum Kriegsende noch bombardiert werden, doch zum 30.03.1945 zogen massive Kampfverbände amerikanischer Panzerspitzen durch Schloßau in Richtung Mudau. Es kam dann nicht mehr zur Bombardierung, da deutsche Truppen die Stellung sprengten, als sie den Panzerlärm wahrnahmen. Diese amerikanischen Truppen hinterließen vor allem in der Houschd und im Bereich des Forsthauses einige brennende Häuser. So erlebte Schloßau mit dem Einmarsch der Amerikaner doch noch eine schwere Kriegszeit. Die Namen der Toten und Vermissten auf dem Friedhof bzw. dem Kriegerdenkmal erinnern an diese grausame Zeit. Nach dem 2. Weltkrieg mussten über 200 Heimatvertriebene aufgenommen werden, wobei etwa die Hälfte davon weiterzog, da ihnen Schloßau keine Existenz bot.

750 Luftaufnahme

Eine Auswanderwelle erlebte das Dorf bereits Mitte des 19.Jh. als es viele der nicht erbberechtigten Kinder Schloßauer Familien in das gelobte Land zog. Um 1870 kamen Industriebetriebe auf und die Männer zog es mehr in die Städte wie Mannheim, Ludwigshafen, Heilbronn und Stuttgart. Mädchen und Frauen arbeiteten dort bei gut situierten Familien etwa ab 1900 in Stellung. Dies zeigt einmal mehr, dass industriell seit jeher in Schloßau nicht viel geboten war. Dies war auch nach dem Krieg so, als die Schloßauer Einwohner vermehrt als Pendler in den Städten der Umgebung arbeiteten. Die Verkehrssituation wurde ausgebaut. So hat Schloßau, wie andere Orte auch, in den letzten Jahren die Entwicklung vom klein- bis mittelbäuerlichen Ort zu einem Pendlerwohnort durchlaufen. Im Jahre 1960 gab es in Schloßau noch sehr viele landwirtschaftliche Betriebe, die meisten waren Klein- und Nebenerwerbsbetriebe. 30 Jahre später – 1990 - waren es noch 9.

Ein Wirtschaftszweig ist allerdings doch prädestiniert für unser Dorf. Neben der Landwirtschaft waren nämlich 1913 fast alle Männer als Waldarbeiter beschäftigt. Schloßau galt lange Zeit als Waldarbeiterdorf.

Sie arbeiteten im fürstlichen Wald bei der Holzaufbereitung, der Waldkultur, beim Rindenschälen, bei Wegbauten und der Jagdunterstützung. Auch in der Ökonomie oder der Brauerei in Ernsttal konnte man Geld verdienen. Sogar nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde Schloßau noch als Metropole der Holzhauer im Odenwald bezeichnet. Zeitweise waren mehr als 60 Personen im Wald beschäftigt, die Männer zum Holzeinschlag, die Frauen zur Kulturpflege, aber auch bei der Heidelbeerernte.

Seit 1911 fießt das Wasser aus den Leitungen, seit 1922 gibt es elektrischen Strom.

1935 erfolgte die Eingemeindung von Waldauerbach sowie von Mörschenhardt mit Ernsttal. Während Waldauerbach bei Schloßau blieb, wurde Mörschenhardt 1945 wieder ausgemeindet. Zu erwähnen ist noch, dass der badische Ortsteil von Schöllenbach vom Jahre 1806 bis 1899 auch nach Schloßau eingemeindet war. Am 01.01.1975 verlor Schloßau seine Selbständigkeit und wurde der Gesamtgemeinde Mudau eingegliedert. Es ist nach dem Kernort Mudau der zweitgrößte Ortsteil. Damals wehrten sich die Schloßauer Bürger dagegen. Schnell wurde noch die Leichenhalle gebaut und der Friedhof vergrößert, damit das überschüssige Geld der Gemeinde Schloßau verbraucht war.

Die maroden Straßen wurden zwischen 1985 und 1987 sowie 2008 erneuert. Die Sanierung im Alten Weg steht im August 2022 an und wir freuen uns schon auf die Sanierung der Verbindungsstraße zwischen den beiden Ortsteilen Schloßau und Waldauerbach im nächsten Jahr! So ist unser Dorf seit dem Ende des letzten Krieges zu einem liebenswerten Kleinod des Neckar-Odenwald-Kreis geworden.

Marianne komme bitte zu mir. Ein Blick auf die Uhr und in Tanjas Augen sagt mir, dass ich zum Ende kommen muss. Allerdings habe nicht so lange überzogen wie mein Namensvetter Thomas Gottschalk.

Mancher wundert sich sicher über unsere Kleidung. Marianne Mechler und ich sind heute als gut betuchtes Bauernpaar der 1850er Jahre unterwegs. Die beiden Trachten wurden maßgeschneidert mit Unterstützung der JSSS über unseren Verein beschafft, der in diesem Jahr übrigens sein 20. Vereinsjubiläum begeht. Die Frauentracht ist ziemlich dunkel gehalten mit Kleid und Schürze sowie einer schwarzen Haube, die früher reich bestickt war. So mancher Winterabend wurde hierzu mit Stickerei-Arbeiten verbracht. Bei mir handelt es sich um eine helle Lederhose, Schnallenschuhe, roter Weste, blauem Gehrock, Leinenhemd und Dreimasterhut. Den Odenwälder Bauern sah man im Nebel nicht unbedingt, aber man hörte ihn am Geräusch der vielen Knöpfe. Je reicher, desto mehr Knöpfe, umso früher hörte man ihn. Die Rede möchte ich beenden, wie ich sie begonnen habe, mit der Fortsetzung der Liebeserklärung an mein bzw. an unser Heimatdorf, aus dem Gedicht von Wilhelm Trunk:

Hier zog kein Ritter und kein Held

durch Berg- und Hügelweite.

Nein, Heimat war die kleine Welt,

und Heimat, so wie sie gefällt,

ist Schloßau auch noch heute!

Und damit bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Thomas Müller, Juli 2022