Römisches Lagerleben - bereits vor 2000 Jahren mit internationalem Flair

Bereits in der letzten Ausgabe von „Unser Land“ konnte ich über die sensationellen Funde der antiken Brennöfen aus römischer Vergangenheit, im Schloßauer Burggewann, berichten. Inzwischen gibt es weitere Funde und neue Erkenntnisse, so dass ich im Kalender 2006 den Fortschritt der Grabungen präsentieren kann. Während einer Reihe von Vorträgen im Rahmen des Mudauer Sommerprogramms, der Historikertage 2004 und des Römerjahres 2005, ging Frau Dr. Britta Rabold (wissenschaftliche Leitung) vom Landesamt für Denkmalpflege, immer wieder auf das Lagerleben der Zivilbevölkerung einer antiken Garnison ein. Verschiedene Einzelheiten aus einer Epoche um 100 n. Chr. lassen sich ungefähr folgendermaßen nachvollziehen:

Die Truppen entlang des Limes zwischen Wörth am Main und Bad Wimpfen am Neckar bestanden nicht ausschließlich aus römischen Besatzern. Es handelte sich vielmehr um Brittonen, Hilfstruppen der Römer aus dem heutigen Wales oder Schottland, die in ihrer Heimat mehr oder weniger freiwillig rekrutiert wurden und durch Provinzangehörige zum Einsatz kamen. Die Entscheidung zum Dienst in der römischen Truppe bedeutete für die Söldner meist ein Abschied auf Ewigkeit von dem bisher gewohnten Leben und den Personen aus nächster Umgebung. Bereits der römische Historiker Tacitus sprach von einem Einschnitt auf Lebenszeit für die Rekruten und deren Familien.

Wegen der räumlichen Entfernung in die Heimat, wurden die Rekruten zusammen mit einigen Habseligkeiten, sowie den engsten Verwandten, aus der fernen Heimat in den Odenwald versetzt, wobei die Angehörigen der Söldner in den Lagerdörfern der Kastelle, den Kastellvici, eine neue Heimat fanden. Die rekrutierten Soldaten blieben meist Söldner bis zum erreichen der Altersgrenze. Selbst nach ihrem Soldatenleben trafen sie oftmals die Entscheidung zum Verbleib in der anvertrauten Umgebung, denn in der fernen Heimat hatten sie jetzt meist niemand mehr. Je nach Dauer der Dienstzugehörigkeit erhielten sie ggf. sogar den Status eines Römers, sowie ein Stück Land zur eigenen Bewirtschaftung. Sie waren dann meist angesehene Personen.

Die Söldner aus Schloßau, unterstanden mit großer Wahrscheinlichkeit dem praepositus (Kommandant) Titus Manius Magnus, einem Legionscenturio aus Sinope in Paphlagonien (Kleinasien). Er gehörte zur 22. Legion in Mainz und war vor seiner Versetzung nach Schloßau bei der fünften makedonischen Legion an der unteren Donau stationiert. Dies jedenfalls dokumentiert der untere Teil eines Altarsteins aus gelben Sandstein und einige Steintafeln, sowie zahlreiche Inschriften.

Die gesamte Größe des Lagerdorfes läßt sich derzeit nur erahnen. Da sich die bisherigen Funde nahezu ausschließlich auf handwerkliche Berufe beziehen, gräbt man aber sicher immer noch am Rande des vicus, denn die Handwerksbetriebe waren aufgrund der von ihnen oftmals ausgehenden Brandgefahr, meistens außerhalb des Dorfkerns angesiedelt. Es ist jedoch sicher, dass die Größe des Tross eines Numeruskastells anhand der Funde neu überdacht werden muß und der Schloßauer Kastellvicus wohl viel größer war als bisher angenommen.

Die zum Leben erforderlichen Güter mußten die Soldaten kaufen. So hat z.B. ein gewisser Quintus seinen Namen in eine Tonschüssel geritzt, um diese somit als sein Eigentum auszuweisen. Einige Stücke von einem großen Mühlstein und von einem Backofen deuten auf die Verarbeitung von Getreide hin. Hierbei handelte es sich in der Regel um Hafer und Weizen, aus dem man eine Art Brei (Pulz) zubereiten und mit Bohnen oder Speck verfeinern konnte. Zudem gab es Dinkel. Diesen mußten die Soldaten selbst zerkleinern. Sofern ein Backofen vorhanden war, konnte man hieraus ein schmackhaftes Brot backen. Brot kannten die Römer erst seit dem 3. Jh. v. Chr.

Sandstein als Rohstoff war an diesem Limesabschnitt ausreichend und in guter Qualität vorhanden. Er konnte schon zur damaligen Zeit mit entsprechendem Werkzeug recht gut bearbeitet werden. Dies zeigen nicht nur drei runde Sandsteinkugeln einer Ballista (riesiges Katapult, vergleichbar mit einer Armbrust), sondern auch die Bauweise der Kastelle und Wachttürme, sowie zahlreiche römische Weihe- und Votivsteine. Es ist davon auszugehen, dass die erwähnten Geschosse der Ballista, sowie weitere 60 „Projektile“ aus Hesselbach nicht für Kampfhandlungen an diesem Limesabschnitt zum Einsatz kamen, sondern hier nur der Ort ihres Ursprungs lag. Die gefunden Geschosse sind wohl Reste eines Sandsteinhauers.

Auch der Fund einer Melonenperle aus Glasfritten wirft einige Fragen auf, denn diese Perlen dienten unter anderem zur Verzierung des Zaumzeuges der Pferde. Allerdings besaßen die Numeruskastelle des Neckar-Odenwaldlimes in der Regel keine Reitereinheiten (alae). Diese waren, wenn überhaupt, in den größeren Kohortenkastellen stationiert. Die entdeckte Melonenperle könnte ein Hinweis dafür sein, dass in einem Schloßauer Ofen eventuell Glas verhüttet wurde. Ein Reiter könnte sie aber auch verloren haben, denn Schloßau bietet keinerlei Rohstoffe für die Glasherstellung. Als ziemlich sicher gilt hingegen die Bearbeitung von Metall, worauf einige Schlackereste hinweisen.

Aus der Vielzahl dieser aufgeführten Handwerksberufe läßt sich somit eine besondere Bedeutung des Schloßauer Kastellvicus ableiten.

Das Leben im Lagerdorf hat sich hauptsächlich entlang einer ca. 6 Meter breiten Straße abgespielt. Diese besaß zu beiden Seiten noch eine jeweils 6 Meter breite Pflasterung für Marktstände und dahinter einen Wassergraben zur schnellen Entwässerung der Straße. Mit 18 Metern war sie somit breit genug für ein reges Treiben mit Fuhrwerken und Karren. Dieser Straßenabschnitt wurde zur Überraschung der Archäologen in einem außerordentlich guten Zustand vorgefunden und gilt schon jetzt als „sensationeller Überraschungsfund“. Sogar eine Straßenkreuzung wurde lokalisiert. Der gefundene Straßenbereich führte vom Schloßauer Lagerdorf in Richtung Oberscheidental. In der Regel war die Römerstraße entlang des Limes nicht in der vorgefundenen Art gepflastert, was wiederum den besonderen Stellenwert des Schloßauer Kastellvicus beweist. Für die gepflasterten Abschnitte wurde gerne auch Kies verwendet, um die Unebenheiten der Straßenoberfläche zu egalisieren. Dieser mußte als Rohstoff jedoch erst mühsam herbeigeschafft werden.

Über diese Straße erfolgte der Soldatenaustausch zwischen den Kastellen, aber auch der logistische Austausch der vici. Kurierdienste erledigten die Übermittlung von Nachrichten.

Im Lagerdorf entlang der Straße gab es auch Verkaufsstände. Hierzu waren die Häuser zur Straßenseite offen. Auf einem freien Platz versteigerte ein Auktionator (Räko) wertvollere Produkte, Handelswaren oder Tiere. Der Fund einiger Henkelkrüge deutet auf Wirtshäuser (Tavernen) hin, wo um Geld oder Waren gespielt wurde.

Eine Münze (Denarius) wurde bei den derzeitigen Ausgrabungen bisher nicht gefunden. Allerdings gab es um das Jahr 1880, während der Ausgrabungen durch die Reichslimeskommission, im Bereich des Schloßauer Badhauses einen Fund von 21 (Gold?)münzen (aurei). Hierauf sind die Kaiserköpfe von Nero, Titus, Vespasianus, Domitianus, Nerva, Trajan und Hadrian verewigt. In den Badhäusern hatten die Soldaten, aber auch die Lagerbewohner, die Möglichkeit sich intensiv zu reinigen. Bekannt sind Dampf- und Schwitzbäder, die auch in unserer Kultur wieder mehr und mehr Einzug halten. Es gab aber auch schon Moor- bzw. Schlammpackungen. Aus Spanien wird in Zusammenhang mit dem Baderitus überliefert, dass die römischen Frauen in den Bädern den doppelten Eintritt zu zahlen hatten als Männer.

Holzreste zeigen die verschiedenen Entwicklungsstadien des Kastells samt vicus und sind daher von besonderer Bedeutung. In der Schloßau Anlage läßt sich nachvollziehen, dass zuerst die Römerstraße, das Kastell, sowie mindestens ein Brennofen für Ziegelsteine entlang der gerodeten Sicherungslinie errichtet wurden. Erst danach entwickelte sich der vicus. Es läßt sich zudem eine flächendeckende Holzbebauung nachweisen. Nach Abzug der Truppen, um das Jahr 150 n.Chr., blieb das Lagerdorf noch bestehen. Eventuell wurden die Brennöfen für Gebrauchskeramik (siehe „Unser Land 2005“) erst nach dieser Zeit errichtet und stammen aus der Epoche um ca. 200 - 300 n. Chr..

Die Archäologen warten immer noch auf die Entdeckung von Gräbern bzw. Knochen, die den Anthropologen detaillierte Erkenntnisse über kulturelle oder religiöse Aspekte der Bewohner geben könnten. Anhand von Grabbeigaben ließen sich auch noch weitere Erkenntnisse über damalige Berufszweige gewinnen. Warten wir also, was die weiteren Grabungen noch alles zutage fördern. Es bleibt ganz sicher spannend!

Thomas Müller, Schloßau 2005

Quellen: Vorträge von Frau Dr. Britta Rabold und Auszüge aus privaten Sammlungen diverser Fachliteratur.

Bild 1:  Nachgebaute Ballista beim Schloßauer Römerfest 2005

Bild 2:  Ausgegrabene alte Römerstraße.