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Gaststätte "Zum Hirsch" wird 110 Jahre

Es gibt sie noch, die Dorfgasthäuser mit Tradition, auch wenn diese aufgrund des Wandels der Zeit immer weniger werden. Eines davon ist das Gasthaus zum Hirsch in Schloßau, denn der „Hirschwirt“ ist das Traditionsgasthaus im Dorf, das zwischenzeitlich in vierter Generation an der 1887 gebauten, „Neuen Straße 15“ sein Domizil hat. Am 02.09.1906 wurde damals Karl Büchler, genannt „Hindenburg“, die Schanklizenz erteilt und so eröffnete er am 13.09.1906 den Hirsch am „Schloßauer Weißebuckel“. Zwischenzeitlich kann das Gasthaus auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken.

Äußerlich hat sich das markante Gasthaus wenig verändert. Nur ein Küchenanbau änderte das äußere Bild des Gesamtkomplexes. Thekla Elser, die aktuelle 80 jährige Besitzerin, hat hier eingeheiratet und sie erzählt davon, dass zu Anfang das Bier noch mit Eislieferungen aus der Ernsttaler Brauerei gekühlt wurde, da es keine andere Kühlmöglichkeit gab. Im Innern hatte das Gasthaus bis zum zweiten Weltkrieg auch Fremdenzimmer für Durchreisende vorzuweisen. Gleich nach dem Krieg wurden in den Räumen dann Flüchtlinge einquartiert, die vorübergehend mit den Bewohnern zusammenleben mussten. Seit man sich zurück erinnern kann war hier die dorfeigene Poststelle, die bis 1986 im Gebäude verblieb. Zwischendurch beherbergte man auch noch eine Schneiderei und sporadisch kam ein Friseur ins Haus, der auf Wunsch die Gäste aus dem Schankraum nacheinander „scherte“. Zudem beherbergte man bis Mitte der 1960er im obersten Stock einen Saal für dorfeigene Veranstaltungen. An Weihnachten spielte dort eine Laiengruppe Theater und es gab kleinere Christbaumverlosungen des FC-Schloßau. Nicht zu vergessen sind die ehemals legendären Maskenbälle an Fasching. Den Älteren aus der Umgebung dürfte auch noch die dorfeigene Band „schwarze Rose“ ein Begriff sein, die hier über mehrere Jahre hinweg den Tanzboden zum Beben brachte, weiß sie weiter zu berichten. Für diese Tanzveranstaltungen wurden auch Tanzkurse angeboten. So lernte sich manches Pärchen kennen und lieben wie man sich unschwer vorstellen kann! Nach der Einweihung der Mehrzweckhalle im Jahr 1964 verlor der Saal allerdings immer mehr an Bedeutung. Schließlich  wurde er ganz zu Wohnraum umfunktioniert.

Was allerdings blieb ist der Schankraum, in dem einst sogar Kinofilme gezeigt wurden. Die Älteren spielten früher Cego, ein Spiel das heute niemand mehr kennt, geschweige denn spielt. Natürlich gab es auch Skat- und Schafkopfturniere. Über Jahrzehnte hinweg trafen sich um die Mittagszeit Bauern und Handwerker, um schnell ein Bier zu trinken, bevor es mit der Arbeit weiter ging. „Bei dem ein oder anderen wurde es gerne auch mal später!“ weiß sie zu berichten. An Sonntagen, nach dem Kirchgang, kehrten die Männer ein, um Frühschoppen zu halten und Karten zu spielen. „Da war es früher immer voll und man bekam nur noch Platz an der Theke. Frauen waren da allerdings Mangelware!“ so Thekla Elser weiter. Doch die Zahlen der Kirchenbesucher gingen zurück und so auch die Zahlen im Gasthaus. Inzwischen ist es nur noch ein „harter Kern“, der sich dieses Sonntagsgastspiel nicht entgehen lässt und immer noch Schafkopf spielt. Eine Renaissance erlebt die Gaststätte derzeit in Verbindung mit kleinen Familienfeiern und Vereinsveranstaltungen. Gerade der FC-Schloßau hat die Wirtschaft als Vereinslokal auserkoren. „Vor- oder nach FC-Spielen ist hier dann Treff!“ fährt die Wirtin fort.

Auch der Alkohol schlug natürlich häufiger zu in den letzten 110 Jahren. „Da wurde gerne mal prozesst, aber es blieb meist friedlich, auch wenn ich nicht weiß, wie es dann zu Hause weiter ging!“ merkt sie weiter an.

„Im Schankraum selbst, da hat sich nicht viel verändert!“ fährt Thekla Elser fort. Die Theke befand sich früher zwischen den beiden Eingangstüren und oben in der Ecke war Mitte der 1960er einer der wenigen Fernseher im Dorf zu finden. „Ein Schwarz-weiß Röhrengerät, neuester Technik!“ fährt sie fort. Der Fernseher wurde ein paar Jahre darauf aber wieder entfernt, da inzwischen bereits viele Haushalte ein Gerät hatten und öffentliches Fernsehen niemanden mehr anlockte. Geblieben sind im Schankraum allerdings die zahlreichen Hirschgeweihe und die markante Kuckucksuhr. Diese Relikte könnten inzwischen unendliche Geschichten erzählen, denn sie sind seit sich die Wirtin zurückerinnern kann an ihrem Platz und würden zumindest dem treuen Besucher ins Auge stechen, wenn sie nicht mehr da wären.

Thomas Müller, Schloßau 09/2016

Bild 1: Der 1. Wirt Karl Büchler mit einer Wagenladung voll Ernstthaler Eis vor seiner Gaststätte; um 1910

Bild 2: Der "Hirsch" um 1906 nach der Eröffnung

Bild 3: Die heutige Wirtin Thekla Elser im Schankraum