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Als die Schneeschaufler im Einsatz waren

Thomas Müller erzählt von längst vergangenen Wintern aus Dörfern, die heute zu Mudau gehören

Wenn es heutzutage – was doch eher selten vorkommt – einmal richtig schneit, sind die Straßen meist schnell geräumt. Wie aber sah das früher in den abgelegenen Dörfern aus? Wie sind die Menschen mit den Schneemassen umgegangen? RNZ-Leser Thomas Müller aus Mudau hat dazu recherchiert und erinnert an längst vergangene Winter in Schloßau und Waldauerbach – Dörfer, die heute zu Mudau gehören. Wurden die Menschen damals früh morgens von der weißen Pracht überrascht, hatten sie zu allererst einmal die „Ruhe weg“ und blieben zu Hause. Niemand störte sich daran, denn die meisten Menschen arbeiteten ohnehin in der Landwirtschaft, die nach dem Einbringen der Wintervorräte bereits seit Wochen ruhte. Für die Bauern kam ein Schneechaos sogar gerade recht, denn jetzt war Zeit für all die Arbeiten, die über das Jahr liegen geblieben waren und für den Winter aufgespart wurden. Musste man tatsächlich zu einem anderen Ziel, harrte man aus, bis das Schneetreiben dies irgendwie zuließ. Mit der besser werdenden Organisation innerhalb der Dörfer musste allerdings auch hierfür eine Lösung her. So wurden dorf-intern Schneeräumaktionen auf den wenigen Straßen und Handelswegen organisiert. Hierzu wurden seitens der Gemeinden Bürger verpflichtet. Sobald der Schneefall es zuließ, schaufelten diese die Wege in den Dörfern frei. Den Schneeschauflern war hier zuvor ein Streckenabschnitt zugeteilt worden. Waren die Schneemassen allerdings zu stark, dann musste „geschanzt“ werden. Der Schnee wurde dann in mehreren Etappen aufgeschichtet. Diese Fronarbeiten im Dienste der Allgemeinheit waren Pflicht. Jahre später erhielten die Schneeschaufler für ihre Tätigkeit einen geringen Lohn. Mit der aufkommenden Industrialisierung stiegen auch die Ansprüche bezüglich geräumter Straßen für den steigenden Warenverkehr. Es kamen die ersten Schneeräumgeräte, die sogenannten Bahnschlitten auf. Hierbei handelte es sich um einfache Holzgestelle in dreieckiger Form, die mit Eisen verstärkt waren und durch herausklappbare Seitenteile verbreitert werden konnten. Je nach Schneemenge wurden sie bei Winterbeginn, bei Pulverschnee und geringen Schneemassen breiter ausgefahren und später im Winter und großen Schneemassen enger eingestellt, bis sie in Extremfällen schließlich nur noch eine schmale Furt hinterließen. Für Streckenabschnitte zwischen den Dörfern wurden mit dem steigenden Warenverkehr von den Gemeinden Straßenwärter eingestellt, die damit beauftragt waren, ihren Abschnitt zu jeder Jahreszeit, gegen Entlohnung, in Ordnung zu halten. Im Winter war dies allerdings gerade bei großen Schneemassen und Schneeverwehungen auch für diese äußerst schwierig. Hier war dann zusätzlich der Bahnschlitten unterwegs, und bei Schwierigkeiten kamen dann noch die Schneeschaufler hinzu, um die Verbindung zu den anderen Dörfern irgendwie herzustellen. Was allerdings immer noch fehlte, waren Streugeräte, um die geräumten Wege von festgefahrenem Schnee oder Eis zu befreien. Noch Mitte der 1950er Jahre gab es im heutigen Neckar-Odenwald-Kreis kein Streugerät. Bei den ersten Streugeräten musste das Streugut immer noch von der Ladefläche in einen Trichter geschaufelt werden, wobei dieses dann auf dem Streuteller landete und relativ ungleichmäßig verteilt wurde. Automatisch arbeitende Schneckenförderer auf der Ladefläche wurden erst später entwickelt. Schließlich war es auch möglich, den Sand oder Kies mit motorbetriebenen Fahrzeugen, den ersten Unimogs, mitzuführen. Das Streugut musste allerdings zuvor vom Straßenwärter mit der Schaufel aufgeladen werden. Eines war jedoch sicher, sofern das Streumittel schon beim Beladen gefroren war, fiel der Streudienst aus, ansonsten war es Knochenarbeit. Das Streugut wurde dann von der Ladefläche, ebenfalls mit der Schaufel, auf den glatten Straßenabschnitten verteilt. Dies war zudem gefährlich, denn es bestand immer das Risiko, vom Unimog zu fallen oder sich mit durchgeschwitzter Kleidung eine Erkältung einzufangen. Für die Kinder hingegen waren Schnee, Eis und Glätte eine wahre Freude. Auf Straßen mit Hanglage entstanden echte Schneepisten. In Schloßau waren hierzu der Weißebuckel und der Münkelsbuckel prädestiniert. In Mörschenhardt war der Spethsbuckel steil genug für das Treiben der Kleinen. Die Anwohner hatten danach allerdings das Problem einer Eisdecke vor der Haustür. Sie schimpften nicht selten mit den Kindern über das Glatteis, und wenn die Streitigkeiten besonders heftig wurden, haben ältere Buben nachts auch noch mit Wasser nachgeholfen, denn dann ging am nächsten Tag erst recht die Post ab.

oberes Bild: Schneeschanzen im Mörschenhardter Kapellenweg in den 50er Jahren

unteres Bild:  Dieter und Thomas Müller auf verschneiten Straße im Extremwinter 1969 in Schloßau

Eine ausführlichere Variante dieses Textes findet sich hier (Teil 1), bzw. hier (Teil 2).